Architektur · Porträts · Reportage · Landschaft

Was ist für mich ein gutes Foto?

Eine gute Fotografie muss nicht, geht aber oft über das Gesehene hinaus. Weckt ein Gefühl, eine Sehnsucht gar. Licht und Schatten. Ist immer Perspektive. Stille, Humor oder die pralle Lebendigkeit und Dramatik des Lebens schauen einem ins Auge. Ein Höhepunkt ist es, wenn irgendein Bild in mir den Wunsch anregt: “Ach, wäre ich doch auch da gewesen; hätte ich dieses Erlebnis unvermittelt geteilt.”

Dann: Da sind die dichten Bilder und um diese reihen sich die vielen anderen, die nicht auffallenden. Sie erzählen wie man sich angenähert hat. Vom einfachen Lauf der Dinge. Alle zusammen sprechen von einer Art Authentizität des Geschehens. Immer bleibt es meine Sicht, Wahrheit ist es nie und immer sind es auch “nur” Bilder von was, das in die Zeitlosigkeit ent-schwindet. Der Augenblick - gebannt in Zeit und Raum.

Und doch: Sie können viel bewegen. Wenn man ganz da ist, unauffällig und leise, Auge und Herz offen hält, kann einem das Kunststück gelingen eine gute Geschichte zu erzählen. Eine die lebendig bleibt und einem Dinge zeigt, die das Eigene um ein schönes Stück erweitert. Das fühle ich dann als eine Art von “Glück gehabt”.

Haunting.

These are the photographs of Michael B. Saturating his images with an emotional content that seems to proceed as much from his subjects as from himself.

Michael B. forms complex “premonition/memory” images that are at once made menacing by the complex play of light and shadow, while at the same time able to exemplify the more complentative aspects of his work through their complex yet reductive surfaces.

With his highly formal sense of design and construction, Michael B. works with the vocabulary of a painter, constructing perspectives that are both deep and flat, asking us to turn our attention from the physical to the metaphysical and like trespassers we are led into these spirit places. Is it all a dream, or a trick of the night or the light? Michael B. isn`t telling.

Jason Copple, Editor of Front & Centre - CA

Wo Berg und Meer sich finden – Eine Verschmelzung

Wenn Michael Bühler ein fotografisches Projekt verfolgt, dann tut er dies mit der ihm eigenen Konsequenz. Der Ausgangspunkt für eine fotografische Recherche ist immer die Neugierde. Der Endpunkt ist eine Einsicht.

Die Lust am Experiment treibt den Fotografen oft an physische Grenzen, an die eigenen, auf dünnes Eis, in unwirtliche Gebirgslandschaften. Seine Arbeit „Berg - Meer“ ist eine Wanderung zu inneren, ganz persönlichen wie auch kollektiven Bildern. Der Gegensatz zwischen Aussen- und Innenwelt, Material und Auflösung, wirft die für die Fotografie zentrale Frage nach dem Sein und dem Nicht-Sein des Gezeigten im Bild auf.

Beeindruckt von der Naturgewalt an der baltischen See Lettlands, die im Winter das gefrorene Wasser an der Küste zu bizarren Formationen türmt, ist er mit der Kamera in die eisige Welt eingetaucht. Die zerklüfteten Landschaften aus Eisplatten sind für ihn wie ein Spiegel der Geschichte dieses Landes. Die Art von Stille und Schmerz, die sich in den Photographien manifestieren, symbolisieren prägende Erfahrungen, die den von Krieg und Fremdherrschaft versehrten Menschen im Baltikum und vielerorts gemeinsam sind.

Im Winter 2014 besuchte er in der Begleitung eines Bergführers zum wiederholten Mal die Albularegion. Hier fand er die Bilder, wo sich Berg und Meer berühren und verschmelzen. Das Licht im Gebirge und sein offener Geist führen ihn und machen ihn hellhörig. So tastet er sich mit der Fotolinse durch die Landschaft. Er forscht der Schwerkraft nach, die an den Felsformationen unablässig Spuren hinterlässt. Durch die Einbildungskraft lässt er sich von den äusseren an seine inneren Bilder heranführen. Diese setzt er fotografisch auf eine Weise um, dass im Betrachter das Gefühl entsteht, in ein Geheimnis zu blicken. Es ist die Essenz oder das Wesentliche, das Bühler interessiert, nicht die Form oder die materielle Erscheinung eines Gegenstandes. Was Berg und Meer essentiell verbindet, das sind die formenden Naturkräfte.

Es gehört zur künstlerischen Konsequenz, dass die Prints in einem zeitintensiven Verfahren hergestellt werden. Dies beginnt damit, dass Bühler in analoger Technik arbeitet und mit Filmen, die ihr Verfallsdatum längst hinter sich haben. Deren Emulsion reagiert zuweilen unberechenbar auf Lichteinflüsse. Diese Reaktion sowie die Belichtungszeit spielen in die Farbigkeit der Bilder hinein. Es ist die Brüchigkeit der Chemie, die den Fotografen an diesem Verfahren fasziniert, weil sie ihn an die Brüchigkeit und die Vergänglichkeit des Lebens erinnert. Durch Lang- und Doppelbelichtungen macht er Zeit sicht- und spürbar. Es ist dieses Spiel mit Kontrolle und Kontrollverlust, das in den Bildern überall sichtbar wird.

Michael Bühler arbeitet beim Vergrösserungsprozess eng mit einem Meister seines Fachs zusammen. Bei Wilhelm Lother werden diese Bilder auf das inzwischen nicht mehr erhältliche analoge Fotopapier Cibachrome entwickelt. Dieses Fotopapier ist einzigartig bezüglich seiner Farbbrillianz und Lichtbeständigkeit. In aufwändiger Handarbeit arbeiten er und Lother feinste Nuancen der Farbtöne und Kontraste heraus. So sind die Bilder, die Zeit sicht- und spürbar machen auf Trägermaterial aufgebracht, das selber Geschichte ist. Das Verfahren ist gewissermassen der letzte Schritt auf einem langen Weg zwischen Meer und Berg, auf dem der Fotograf den Betrachter gleichsam philosophisch zum Hinschauen führt.

Christina Peege, Kunsthistorikerin und Archäologin